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2024 A DIRTY FAUST (D)

Laura Hermann als FAUST | © Alexandra Polina

PREMIERE 8. August 2024
SPIELORT Schule Seilerstraße, Seilerstraße 41–43, Hamburg
KOOPERATION Internationales Sommerfestival Kampnagel
SPIELTERMINE 8., 9., 10., 11. Aug. // 14., 15., 16., 17., 18. Aug. // 21., 22., 23. Aug.

STÜCKBESCHREIBUNG Das Hotel Nesterval in Hamburg St. Pauli Mitte der 1960er. Es ist der letzte Sonntag in der Sommersaison. Hoteldirektor Josef Nesterval hat zum Saisonabschluss geladen. Gäste und Angestellte finden sich gemeinsam ein, um noch einmal das berühmte Nesterval-Anthem zu singen, das in diesem Hotel Tradition hat. Doch die Feier verläuft nicht wie geplant. Erst feuert der Direktor den Tanzlehrer Leo, und dann stürzt auch noch die Tanzlehrerin Gretchen in den Saal und bricht bewusstlos zusammen …
Freeze für alle: Die Szene wiederholt sich nun zum x-ten Mal. Alles ist nur ein Spiel zwischen Gott und Teufel, zwischen Herrn Josef und Frau Karl, einer Illusionistin. So beschließen der Hoteldirektor und seine Spielgegnerin Frau Karl, die Zeit um drei Wochen zurück zu drehen. Die Gäste sollen die Möglichkeit bekommen, zu sehen, wie es zu diesem tragischen Ende gekommen ist. In der nächsten Stunde erlebt das Publikum Schlüsselszenen aller Beteiligten aus den vergangenen drei Wochen. Es macht sich auf eine Reise durch die Zeit und begegnet den wunderlichen Hotelgästen und dem etwas seltsamen Personal.
Wieviel Recht haben Frauen über den eigenen Körper? Wie gehen wir damit um, wenn in der Welt die konservativen Strömungen zum Thema Abtreibung wieder Aufwind bekommen? In A DIRTY FAUST befasst sich das Nesterval-Ensemble mit diesen Fragen und lässt das Publikum auf perfide Art sogar Teil davon werden. Abtreibung und Kindsmord werden sowohl im Stil von Tanzfilmen der 1980er-Jahre als auch mit Figuren und Szenarien aus Goethes Faust abgehandelt. Bei Goethe tötet Gretchen sein Kind und landet auf dem Scheiterhaufen, ehe sie durch göttliche Stimmen errettet wird, und auch Tanzfilme der 1980er-Jahre thematisierten das Thema Abtreibung auffällig oft.
Als Gäste des fiktiven Hotel Nesterval im St. Pauli der 1960er Jahre verfolgt das Publikum in A DIRTY FAUST verschiedene Frauengeschichten und erlebt in diesem Mash-up anhand dieser Schicksale eine Welt, die mit ihren aktuellen Entwicklungen unserer nicht unähnlich ist.

HABE NUN, ACH! Nestervals A DIRTY FAUST startet mit einem Bild, das wir alle nur zu gut kennen. Ein stereotyper alter weißer Mann, Herr Josef, – für manche Hoteldirektor, für andere Gott – steht einer mysteriösen, fast unheimlichen FLINTA*-Kraft gegenüber, die wiederum Teufel, Göttin oder Lichtbringerin sein kann: Frau Karl, eine Illusionistin.
Das Gute kämpft gegen das Böse? Weit gefehlt! Die Kämpfe um Moral, Anstand und Solidarität muss heutzutage jede*r für sich selbst überstehen, schließlich wohnen – frei nach Goethe – zwei Seelen, ach, in unserer Brust. Damals wie heute geht es um Macht – über (Mit-)Menschen, über gute und böse Geister. Doch Nestervals A DIRTY FAUST spielt bewusst mit jenen Klischees, mit denen viele von uns aufgewachsen sind und versucht, diese – angelehnt an Goethes Figuren Faust und Mephisto sowie an Tanzfilme der 1980er Jahre – zu dekonstruieren.
Aus altbekannten Wertvorstellungen und Vorurteilen scheint das Böse aus dem erwarteten Rahmen zu fallen. Denn wer gibt vor, dass das als Böse betitelte zwingend schlecht sein muss? Eben! Geht es um Konventionen und Moral, die vor mehr als zweihundert Jahren von einem Mann niedergeschrieben wurden, so kann in A DIRTY FAUST als Gegenkonzept nicht weniger als die Selbstbestimmtheit der Frau als Antwort dienen. Böses erkennen in Frau Karl nur jene Menschen, die das Gute in verstaubten patriarchalen Systemen des letzten Jahrhunderts suchen.
Nesterval verhandelt in A DIRTY FAUST vor allem die Lebensrealitäten von sechs Frauenfiguren, die für das eigene Schicksal kämpfen. Etwa Gretchen, Marthe und Augusta, die sich individuell mit dem Thema der ungewollten Schwangerschaft auseinandersetzen müssen. Oder Katharina, Schatzi und Hemma, die ihr Recht auf Selbstbestimmung einfordern.
Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein: Was in Goethes Faust noch allgemein gültig war, gilt auch für andere Figuren des Stückes; allerdings in dem engen Korsett des Jahres 1964. Uneheliche Kinder waren für die Frauen eine Katastrophe, viele Mütter erhielten nicht einmal das Sorgerecht. Das Ehe- und Familienrecht bestimmte den Mann zum Alleinherrscher über Frau und Kinder. Eine Ehefrau musste ihrem Mann jederzeit sexuell zur Verfügung stehen. Wenn er sie oder die Kinder misshandelte, dann galt das als Privatsache. Ob verheiratete Frauen einen Beruf aufnehmen durften, bestimmte der Ehemann …
In A DIRTY FAUST werden auch Sie “Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft”.
Willkommen in der “Zeit Ihres Lebens”, willkommen im Nestervals 1964!

„Irrwitzig, intensiv und immersiv.“ (NDR)

DARSTELLER*INNEN Laura Athanasiadis, Rita Brandneulinger, Sven Diestel, Gisa Fellerer, Martin Finnland, Laura Hermann, Romy Hrubeš, Peter Kraus, Aston Matters, Willy Mutzenpachner, Stefan Pauser, Chris Pfannebecker, Sarah Plochl, Mio Riedl, Géraldine Schabraque, Johannes Scheutz, Chiara Seide, Alkis Vlassakakis, Martin Walkner, Christopher Wurmdobler


TEAM
Künstlerische Leitung/Regie
Martin Finnland
Buch Eva Deutsch und Martin Finnland basierend auf Teresa Löfbergs Dirty Faust 2017
Dramaturgie Tove Grün
Technische Leitung & Produktion Lukas Saller
Produktionsleitung Nesterval Gioia Morgan

Leiter der Technischen Abteilung Internationales Sommerfestival Kampnagel Markus Both
Technische Projektleitung Doria Worden
Leitung Produktion Internationales Sommerfestival Kampnagel Raphaela Rößler
Produktionsleitung Kampnagel Junior Barros

Bühnenbild Andrea Konrad
Kostümbild Dritan Kosovrasti
Choreografie Marcelo Doño
Sounddesign Alkis Vlassakakis
Komposition Julian Muldoon
Co-Konzept, Anträge & Archiv Martin Walkner
Grafik Rita Brandneulinger
Illustrationen Aston Matters
Regieassistenz Laura Athanasiadis
Ausstattungsassistenz Mathilda Schnatafee
Kostümpraktikum Misha Tavazoni
Regiehospitanz Eileen Polnau

Besonderer Dank an die Freund*innen von Nesterval (insbesondere Andrea & Valerie Lenk, Andreas Kauba, Clemens und Katharina Pallitsch, Edmund Weninger, Gerald Timelthaler, Kaya Alina Knapp, Markus Kellner, Martin Hinterndorfer, Michael Brandtner und Michael Marker) sowie Nikolaus Vogler und (PHKV Rechtsanwälte) und René Lipkovich (SLT Siart Lipkowvich & Team) und Helmut Patterer (PRBS Patterer e.U.).  Extra Dank an DARUM für die Radiogeräte.

In Koproduktion mit dem Internationalen Sommerfestival Kampnagel basierend auf der Koproduktion mit brut Wien 2017.

Mit freundlicher Unterstützung von: Berthold Leibinger Stiftung, Hamburgische Kulturstiftung, BMKOES und Freund*innen von Nesterval.

Beitragsbild © Alexandra Polina
Fotografie (Pressefotos Kampnagel) © Alexandra Polina

Fotogalerie | © vertigoyeah